Am Geburtsort der Domowina

Mit einem Festakt wurde am 13. Oktober 2012 in der Lausitzhalle Hoyerswerda/Wojerecy das 100. Gründungsjubiläum der Domowina begangen. Die Veranstaltung führte Sorben aus allen Teilen der Lausitz, Vertreter von Regionalverbänden und Mitgliedsvereinen mit den Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg, mit Bundespolitikern sowie Vertretern der für die Minderheiten zuständigen Behörden der Bundesrepublik Deutschland sowie mit vielen weiteren Gästen aus dem In- und Ausland zusammen. 100 Jahre nach der Gründung des Dachverbands zeigen sich die Sorben selbstbewusster denn je.

Eine Gedenktafel am Gründungshaus erinnert an den 13.Oktober 1912. Weil die Gründungsstunde der Domowina in Hoyerswerda schlug, ist der dortige Regionalverband am engsten mit ihrer Geschichte verbunden. Deshalb würdigte er die Gründung mit einer Ausstellung und einer eigenen Festveranstaltung. Den Regionalverband selbst gibt es seit dem 24. Juli 1921. Benannt ist er nach dem sorbischen evangelischen Pfarrer und Dichter Handrij Zejler, der in Lohsa/Łaz bei Hoyerswerda wirkte und dort seine letzte Ruhestätte fand. Ebenfalls in Lohsa wurde im Oktober 1991 die Stiftung für das sorbische Volk ins Leben gerufen.

Heute gehören dem Regionalverband „Handrij Zejler“ rund 980 Mitglieder an. Sie sind in acht Domowina-Ortsgruppen und 13 Vereinen organisiert. Seit einigen Jahren hat sich die Domowina in der Region um Hoyerswerda verjüngt. Dem Regionalverband gelang es, junge Leute für die aktive Traditionspflege in den Dörfern zu begeistern, obwohl sie die Sprache ihrer Vorfahren nicht mehr vollständig beherrschen. Dabei setzt sich in den Vereinen die Erkenntnis durch, dass Sprache und Kultur zusammengehören. Bei der Ausbildung außerhalb der Lausitz haben viele junge Leute erfahren, welch große Rolle anderswo die Traditionspflege für den Zusammenhalt spielt. Zurück in der Heimat, empfinden sie Stolz auf die Bräuche der Sorben im Jahreskreis. Sie engagieren sich beispielsweise zum Erntedankfest auf dem Krabat-Hof, im Krabatmühlenverein oder direkt im Regionalverband.

Über die Beiräte für sorbische Angelegenheiten der Stadt Hoyerswerda und der Gemeinde Lohsa sowie über die ehrenamtlich tätigen Beauftragten für Angelegenheiten der Sorben in den Gemeinden Elsterheide/Halštrowska Hola, Lohsa, Spreetal/Sprjewiny Doł und in den Städten Wittichenau/Kulow und Hoyerswerda nimmt die Domowina Einfluss auf die Zweisprachigkeit und auf viele andere Belange der Sorben. Auf den Internetseiten von Hoyerswerda, Wittichenau und Lohsa sowie des Lausitzer Seenland-Klinikums und der Lausitzhalle werden Nutzer auch sorbisch angesprochen.

Einheimische und Touristen erleben Sorbisch als eine lebendige Sprache. Einmal monatlich findet im Kulturzentrum Zeißig ein „Serbske blido“ (Sorbischer Tisch) statt, um sorbische Sprachkenntnisse zu aktivieren. Sprachkurse im Domowina-Haus, in der Stadtverwaltung und in Ortsteilen mehrerer Gemeinden vermitteln Grundkenntnisse und fördern die Konversation. Der Regionalverband bemüht sich um „Sprachinseln“. So bieten zum Beispiel verschiedene Treffen nach Gottesdiensten Gelegenheit zum sorbischen Gespräch. In den katholischen Dörfern um Wittichenau ist es vielen Sorben bis heute ein Bedürfnis, ihren Alltag sorbisch zu gestalten. Über Jahrhunderte förderten vor allem katholische sorbische Geistliche dort den Gebrauch der sorbischen Sprache und Kultur. Im evangelischen Kirchenkreis Hoyerswerda hingegen wirkt die von der preußischen Regierung ab 1815 gewollte Einsetzung deutscher Pfarrer bis heute nach. Im Alltag der Familien wird die sorbische Sprache kaum noch verwendet. Mit großem Einsatz kümmern sich deshalb die Kulturvereine um die Pflege der Bräuche und Traditionen. 2004 rief ein evangelischer Pfarrer die sorbischen Heimatfeste ins Leben, die seitdem jährlich in einem anderen Dorf und in sorbischen Farben gefeiert werden. Für viele jüngere Leute ist es inzwischen selbstverständlich, dabei auch Tracht zu tragen.

Kinder und Jugendliche führt der Regionalverband mit verschiedenen Projekten an die sorbische Sprache und Kultur heran. Gelegentlich wird sogar der Unterricht kurzerhand ins Domowina-Haus verlagert. Dem Thema Sorben widmete sich ebenso die Kinderuniversität Hoyerswerda, eine Begabtenförderung der Stadt. Vorstandsmitglieder des Regionalverbands übernahmen Patenschaften über zweisprachige Kindertagesstätten. So merken die Kinder, dass außer ihren Erzieherinnen noch andere Menschen im Alltag sorbisch sprechen. In Witaj-Kindergärten und -gruppen lernen die Kinder von klein auf Sorbisch, was in mehreren Grund- und Oberschulen und am Gymnasium fortgesetzt werden kann. Das lässt für die Zukunft des sorbischen Volkes in der Region Hoyerswerda hoffen.

Diese hat mit der sozialistischen Industrialisierung der Lausitz gewissermaßen einen Aderlass erlebt. Die Großbaustellen der DDR-Energiewirtschaft zogen Tausende Arbeiter aus der ganzen Republik nach Schwarze Pumpe. Darunter waren zunächst noch an die 2000 sorbische Arbeiter und Angestellte, die sich in sorbischen Aktiven zusammenschlossen. Doch die vielen zugereisten Bauleute und Bergarbeiter bewirkten eine Assimilation an das Deutsche. Die Folge war ein Schwund an sorbischer Sprache und Kultur. Die mit dem Braunkohlenbergbau einhergehende Abbaggerung von 13 Dörfern und weiteren sieben Ortsteilen im Umland und die Umsiedlung von mehr als 2500 Menschen führten ebenfalls zum spürbaren Verlust an sorbischer Identität. Das wirkt umso schwerer, als sich in der Region Hoyerswerda über Jahrhunderte ein besonderer Dialekt, eine eigene Tracht und zum Teil eigenes Brauchtum entwickelten. Mit dem gestärkten Selbstvertrauen zum Jubiläum der Domowina hofft man beim Regionalverband „Handrij Zejler“, dass diejenigen, die jetzt begeistert am Sorbischunterricht teilnehmen, nach der Schule weiter dranbleiben, aktiv in Vereinen mitarbeiten und so zum Fortbestand sorbischer Sprache und Kultur in der Region um Hoyerswerda beitragen.

Constanze Knappe