Sorben im Zwiespalt mit der Kohle

Auf den Erhalt der sorbischen Sprache sind fast alle Aktivitäten der Domowina und ihrer Mitgliedsvereine ausgerichtet. Der historisch gewachsene Schleifer Dialekt kann nun als anerkannte Sprache zertifiziert werden. Wenn dies gelingt, hat das Sorbische in Schleife/Slepo und in der Muskauer Heide eine Zukunft. Der Domowina-Regionalverband Jakub Lorenc-Zalěski ist seit dem 28. Oktober 2013 Nachfolger des bisherigen Domowina-Regionalverbandes Weißwasser/Niesky. Er bemüht sich in langwierigen Gesprächen mit der sächsischen Staatsregierung um die sorbische Sprache und darum, Garantien für die Schulen zu erreichen. Das ist nur ein Vorhaben aus der „Konzeption zur Ermutigung und Belebung der sorbischen Sprache und Kultur im Kirchspiel Schleife“. Auf Beschluss des Regionalverbandes von 2011 wurden alle sorbischen Vereine in die Erarbeitung dieser Konzeption im Sinne eines Leitbildes einbezogen.

Kernaufgabe des Regionalverbandes ist jedoch der Erhalt des sorbischen Siedlungsgebietes. Die Auseinandersetzungen mit der Braunkohlenindustrie erweisen sich als zwiespältig: einerseits die kulturelle und sprachliche Substanz des Volkes erhalten zu wollen, andererseits den Menschen Arbeit in erreichbarer Nähe bieten zu müssen. Je weiter weg die Entscheidungsträger sitzen, desto geringer ist ihr Verständnis für das Handeln der Schleifer Sorben. Die glaubten bereits, das Thema Kohle habe sich mit der politischen Wende erledigt. Doch es bleibt mindestens weitere 35 Jahre aktuell. Zwar bietet der Energiekonzern jungen Leuten berufliche Perspektiven, fördert kulturelle und sportliche Aktivitäten in den Dörfern, doch ändert das nichts am Grundproblem. Die Existenz der Sorben in dieser Region ist durch den Bergbau gefährdet. Die Domowina arbeitet intensiv im Entscheidungsprozess zum Braunkohleplan Nochten II mit. Ob die Pläne mit oder ohne Umsiedlung sorbischer Dörfer umgesetzt werden – für beide Fälle will man vorbereitet sein.

Die Standpunkte der Gemeinden sind unterschiedlich, auch die der sorbischen Vereine im Regionalverband sind nicht deckungsgleich. Zwei Domowina-Hauptversammlungen haben beschlossen, sich nicht gegeneinander aufzustellen und bei der Frage der Umsiedlung die Entscheidung der Mehrheit anzunehmen. Wichtiger ist, den Zusammenhalt der Menschen zu sichern. Mit der Umsiedlung würden neue Ortsteile entstehen. Altschleifer bekämen in unmittelbarer Nähe neue Nachbarn. Deshalb muss schon jetzt Akzeptanz für die Interessen der Sorben geweckt werden. Lebendige sorbische Traditionen werten die Region auf. Dafür ist weiter engagierte Lobbyarbeit auf Europa-, Bundes- und Landesebene und vor Ort erforderlich.

Der Domowina-Regionalverband Weißwasser/Niesky (Župa Běła Woda/Niska) entstand 1991 mit der Wiedervereinigung der beiden Kreisverbände. 1945 war in Niesky der Kreisverband gegründet worden. 1957 wurde die Domowina-Struktur an die administrative Gliederung der DDR angeglichen. Mit den neuen Bezirken entstanden Kreisverbände in Weißwasser und Niesky. Zur Wende sank die Mitgliederzahl deutlich. Mit dem Zusammenschluss sollten deshalb alle Kräfte auf den Erhalt des sorbischen Volkes gerichtet werden. Für die Domowina heißt das, bei allen Überlegungen des Freistaats zu administrativen Neugliederungen keine weitere Teilung des sorbischen Siedlungsgebietes zuzulassen. Die Grenzen neuer politischer Verwaltungsgemeinschaften dürfen nicht durch die vier historischen Trachtenregionen Schleife/Slepo, Klitten/Klětno, Nochten/Wochozy und Muskau/Mužakow führen. Andernfalls wäre die mühselige Aufbauarbeit des Regionalverbandes gefährdet.

Dem Domowina-Regionalverband Jakub Lorenc-Zalěski gehören ca. 500 Mitglieder in 22 Ortsgruppen und Vereinen an. Nach jahrelanger Überalterung verjüngt er sich jetzt wieder. Junge Leute werden über Jugendklubs herangezogen, vor allem aber über Vereine wie das 1973 gegründete Sorbische Folkloreensemble Schleife oder den Heimatverein Halbendorf/Brězowka. Bei Neugründung kultureller Vereine steht zunehmend das Sorbische im Mittelpunkt. Der Verein kólesko (Spinnrad) hat ein Schleifer Liederbuch herausgegeben, der Förderverein Njepila-Hof Rohne ein Schleifer Wörterbuch. Gesprochene Beiträge im Schleifer Sorbischen haben wir aufgezeichnet und diese Tondokumente, zusammen mit einem Buch, und zwei dazugehörigen CDs herausgegeben. Auch viele Deutsche bringen sich in die Arbeit der Kulturvereine ein.

Seit der Satzungsänderung 1999 können größere Vereine einen Vertreter in den Domowina-Regionalvorstand entsenden. Die breitere Basis ist dringend nötig, um die reichhaltige Kultur der Schleifer Gegend und den speziellen Dialekt zu erhalten. Es ermutigt, dass auch Jugendliche zu Festen die sorbische Tracht tragen. Das Sorbische Kulturzentrum in Schleife ist mehr als nur Anlaufadresse für Volkskünstler, Folkloregruppen und Touristen, es ist Ausdruck der sorbischen Identität in der Region.

Sorbische Bräuche, Trachten und Traditionen wären ohne den Erhalt der sorbischen Sprache kaum authentisch. Seit Beginn des Witaj-Projekts 1997 in Rohne/Rowno konnten Eltern für die zweisprachige Erziehung ihrer Kinder im Kindergarten gewonnen werden. Ohne Sorbisch hätten Grund- und Oberschule am nördlichen Rande des Freistaates Sachsen keine Perspektive. Sorbisch als Unterrichtsfach macht die Schule in Schleife auch für Familien aus Südbrandenburg interessant. Doch bei allem Engagement der Sorben für den Erhalt ihrer Sprache und Kultur darf sich der Staat nicht aus der Verantwortung zurückziehen, entsprechend seinen gesetzlichen Pflichten zum Schutz der Minderheit in der Lausitz beizutragen.