Ansprache des Vorsitzenden der Domowina über die Tätigkeit des Dachverbandes

in den Jahren 2013 – 2015 und Ausblick vorgetragen auf der 17. Hauptversammlung

am 28.03.2015 in Dreikretscham


- Es gilt das gesprochene Wort. -


Sehr geehrte Delegierte,
verehrte Mitglieder und Gäste und
Vertreter der Medien,

die zweijährige Periode unserer Tätigkeit neigt sich ihrem Ende zu und so ist es an der Zeit zu bilanzieren, was wir in dieser Zeit alles erreicht haben.
Dazu liegt Ihnen in den Delegiertenmappen der umfassende Bericht des Bundesvorstandes schriftlich vor. Diese Mappen haben wir zuvor postalisch versandt, um eine transparentere Berichterstattung zu ermöglichen und den Delegierten Gelegenheit zur Vorbereitung auf die Diskussion zu geben. Der genannte Bericht orientiert sich an den Arbeitsrichtlinien der vergangenen Hauptversammlung.
In meinem mündlichen Bericht möchte ich einige Punkte unseres Wirkens besonders ansprechen und Gedanken zur weiteren Arbeit skizzieren.

Sehr geehrte Anwesende,
wir gedenken des 25. Jahrestages der Friedlichen Revolution. Vor 25 Jahren erlebten wir eine gewaltige Bewegung in unserer Gesellschaft, als der Unrechtsstaat zerfiel und die deutsche Wiedervereinigung begann. Vielen war dies eine Erfüllung ihrer Hoffnung. Die Euphorie der damaligen Zeit hat sich gelegt und viele fragen sich heute, was ihnen die Wende bzw. Wiedervereinigung gebracht hat.
Bei den Sorben ist das ähnlich.
Die Domowina, die sich dem politischen System der DDR unterordnen musste und seiner Diktatur voll unterlag, entsprach nicht mehr dem neuen Zeitverständnis. Insbesondere die Sorbische Nationalversammlung forderte eine Reform der nationalen Organisation. Der Dachverband wurde nicht aufgelöst, sondern im Sinne der Gründungsworte von Bogumił Šwjela reformiert:
„Er möge Zentrum der nationalen Arbeit sein. Er soll Sorben einander näher bringen, sie in ihrem nationalen, geistigen und wirtschaftlichen Bemühen unterstützen, …“

Nach Jahren der politischen Abhängigkeit und einer Zeit der Unterordnung hat sich die Domowina am 12. Januar 1991 auf ihrer ersten Hauptversammlung zu einer Organisation gewandelt, in der nun Demokratie, Transparenz und Föderalismus gelten.
Heute, 25 Jahre nach der Wende, nimmt manch einer die Effekte der Friedlichen Revolution nicht mehr wahr.
Ich bin überzeugt davon, dass die Wende sowohl für die Sorben als auch für die Domowina gewinnbringend war, auch wenn das nicht bedeutet, dass heute alles ein Honigschlecken sei.
Ohne die Wende hätten wir heute nicht das Recht auf Mit- und Selbstbestimmung. Wir können heute selbst entscheiden, wie wir unsere Zukunft meistern wollen. Die Frage des rechtlichen Status - ob in Form eines Dachverbandes, einer Körperschaft öffentlichen Rechts oder einer Partei – ist jetzt unsere Entscheidung – eine Entscheidung der sorbischen Mehrheit. Natürlich birgt das auch Gefahren in sich. Es gibt keine Pläne anderer, nach denen wir unsere Zukunft einfach meistern könnten. Selbstbestimmung heißt auch, dass wir diesen Prozess selbst gestalten. Wir sind selbst für die Zukunft der Sorben verantwortlich – jeder von uns! Im Programmentwurf Domowina 2025 unter dem Stichwort „Verantwortung“ wird es wie folgt beschrieben:
„Wenn wir eine Zukunft für das Sorbische wollen, sollte sich jeder Einzelne nach seinen Möglichkeiten dafür einsetzen.“

Die deutsche Wiedervereinigung wirkte sich jedoch nicht nur in unserem Lande selbst aus, sondern sie führte auch dazu, dass wir heute ein vereintes Europa haben. Wir partizipieren an europäischen Standards wie der Europäischen Charta für Regional- und Minderheitensprachen und am Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten. Beide Dokumente sind auch für uns ein Gewinn.
Ohne die Wende hätten wir nicht unser derzeitiges Bildungsmodell. Ich glaube nicht, dass jener Staat, der mit der 7. Durchführungsbestimmung zum Volksbildungsgesetz die Zahl der Sorbisch lernenden Schüler binnen kurzer Zeit von 12 000 auf 3000 reduzierte, auch die Möglichkeit geboten hätte, dass sich so ein Modell wie das jetzige entwickelt.
Doch was hat die Reform der Domowina bewirkt?
Die Domowina ist heute – entsprechend ihrem Gründungsgedanken – der Dachverband der Sorben. Seine Regionalverbände und Vereine entscheiden im Rahmen der Hauptversammlung über die Ziele und Inhalte des Dachverbandes. Auch unser Kommunikationssystem hat sich geändert, weil wir auf der Grundlage von Arbeitsrichtlinien arbeiten, die die Vereine formulieren. Natürlich erfordert das auch die Aktivität jedes Einzelnen. Die Vereine sind Grundmauern für das Dach.
Wie ist die Situation der Sorben heute?

– Bildung und Schulwesen –
Die wichtigste Gemeinschaft für die sprachliche Bildung ist weiterhin die Familie . Der Unterschied zwischen der Zweitsprache und der Muttersprache ist die emotionale Bindung. Die Muttersprache markiert nicht nur einen Bildungsstand und Sprachschatz, sondern sie ist eine emotionale Entscheidung, genau jene Sprache als primäre Sprache zu sprechen. Dies wird am natürlichsten durch die Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern vermittelt. Es ist der zentrale Punkt sprachlicher Bildung. Doch insbesondere dabei sollten wir nicht nur die klassische Form der sorbischen Familie im Blick haben. Der Anteil gemischtsprachiger Familien nimmt zu. Das zeigt sich insbesondere in der steigenden Schülerzahl dieser Sprachgruppe . Es kann ein Potential sein, wenn ein sorbischer Partner den anderen zu begeistern vermag. Es kann aber auch ein Fakt sein, der die Bemühungen in der Bildungspolitik zusätzlich erschwert.
Die Bildungsmodelle Witaj und 2plus bieten die Möglichkeit, dieser Situation zu entsprechen. Wir stellen fest, dass das Interesse dafür steigt, aber die Anzahl der sorbisch sprechenden Lehrer zugleich rasant fällt. Schon jetzt reichen die Lehrer nicht aus, um alle Bildungsmöglichkeiten voll auszuschöpfen. Hier stehen wir vor einem Problem, das für die Zukunft unserer Sprache entscheidend sein wird. Die Forderung nach weiteren Möglichkeiten, Lehrkräfte zu gewinnen oder über Fortbildungen in der sorbischen Sprache zu qualifizieren, ist bisher nicht in entsprechendem Umfang erfüllt worden.
Die Bildung bleibt weiter ein politisches Thema. Gemeinsam mit vielen Akteuren, Erzieherinnen und Erziehern, Lehrerinnen und Lehrern, den Fachministerien und nachgeordneten Institutionen vertreten wir die sorbischen Anliegen. Dabei unterstützt uns der Sorbische Schulverein fachlich. Gemeinsam und einstimmig vertreten wir in Bildungsangelegenheiten sorbische Interessen. Dafür danke ich herzlich. Für die Zukunft wünsche ich mir eine noch konstruktivere gemeinsame Arbeit mit dem Schulverein.

– die Sprachsubstanz der Sorben –
Die Sprachsubstanz in den obersorbischen evangelischen Gebieten der Mittel- und Niederlausitz ist weiter gefährdet. Auch, wenn sich unsere Regionalverbände, Vereine und insbesondere die Domowina- Ortsgruppen außerordentlich und vorbildlich um den Erhalt der Sprachräume bemühen, stellen wir fest, dass das Tag für Tag schwieriger wird. Die Gründe dafür sind nicht neu. Demographische Faktoren, fehlende berufliche Perspektiven und die Vernachlässigung der sprachlichen Bildung über Generationen sind die Gründe dafür. Ehrenamtlich Tätige stellen immer häufiger fest, dass sie an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßen. Eine Logik, wonach es demnach nicht mehr der Mühe lohnen würde, ist jedoch nicht gerechtfertigt. Denn wir bemerken, dass es überall kleine zarte Pflanzen gibt, erfolgreiche Bemühungen einzelner, die wir zu schätzen wissen. Ein Beispiel dafür ist die Gemeinde Schleife, wo sich die sorbische Sprache mehr und mehr revitalisiert. Das ist anstrengende Arbeit, aber sie ermöglich positive Ergebnisse. Wir brauen neue Formen der Unterstützung, aber besonders brauchen wir begeisterte und selbstbewusste Sorben, die die Unterstützung nutzen und – das möchte ich hervorheben – unsere Muttersprache sprechen.

– politische Partizipation –
Die Sorben sind gemäß den Verfassungen des Landes Brandenburg und des Freistaates Sachsen ein gleichberechtigter Teil der Bevölkerung. Dies ist in entsprechenden Gesetzen konkretisiert. Unsere politische Partizipation üben wir durch unsere Interessenvertretung und durch beratende Ausschüsse auf allen Ebenen aus. Dabei stellen wir fest, dass die Domowina als Interessenvertretung anerkannt ist. Wir haben die Kontakte zu Politikern und Ministerien weiter gefestigt. Das erweist sich in inhaltlichen Debatten über die Rechte der Sorben als fruchtbar. Insbesondere das Bemühen um eine ausreichende Finanzierung der Stiftung für das sorbische Volk aber auch die Beachtung sorbischer Interessen bei Änderungen verschiedener Gesetze ist davon abhängig.
Wir beobachten jedoch auch eine beunruhigende Tendenz der Partikularisierung. Überall dort, wo wir uns auf einen sorbischen Konsens nicht einigen können, gefährden wir unsere Verhandlungsposition. Ich möchte dafür werben, dass wir innersorbische Diskussionen auch als solche führen. Sofern wir als Volk wirksam sein wollen, sollten wir auch als solches auftreten. Spaltung und Abspaltung führen langfristig nicht zu einer Verbesserung unserer Situation. Dieser Gedanke findet sich auch im Programm Domowina 2025 wieder:
„Die Regionen übergreifende und gegenseitige Hilfe und die wechselseitige patriotische Arbeit unter dem Dach der Domowina sind Ausdruck und Aufgabe unserer Verbundenheit.“

Dafür ein Beispiel:
Im Zusammenhang mit den Landtagswahlen in Sachsen und den Missverständnissen bezüglich des Briefwechsels mit drei Abgeordneten des Landtages bezüglich der Novellierung des Sächsischen Sorbengesetzes entstand die Frage, ob ich in der genannten Angelegenheit richtig gehandelt und die Absicht des Dachverbandes richtig vertreten habe.
Ich nehme die Kritik an, dass das Vorgehen in dieser Angelegenheit nicht sehr klar war und gebe auch zu, dass nicht deutlich kommuniziert wurde, was die Hintergründe sind, die zu diesem Vorgehen geführt haben.
Fakt ist, dass die Novellierung des Brandenburgischen Sorbengesetzes jahrelange Bemühungen erforderte, und dass nicht alle Erwartungen der Sorben erfüllt wurden. Darüber berichtete uns im Februar 2014 der damalige Regionalvorsitzende des Regionalverbandes Niederlausitz, der zur gleichen Zeit Mitglied des Brandenburgischen Sorbenrates war.
Der Bundesvorstand hat sich in derselben Sitzung darauf verständigt, dass er die Novellierung des sächsischen Sorbengesetzes in der Zeit der Wahlen nicht thematisieren will und dass die Notwendigkeit dafür in Sachsen geprüft werden soll. Das war die Basis meines Vorgehens und nur so ist dies aufzufassen.
Es tut mir Leid, dass ich in der sorbischen Öffentlichkeit und unter unseren Mitgliedern mit diesem Vorgehen für Unruhe gesorgt habe. Zugleich verweise ich jedoch auf unsere Forderung, dass die Angelegenheit der Änderung des Sorbengesetzes in erster Linie eine Angelegenheit des politischen Willens der Sorben selbst ist. Den Abgeordneten will ich nichts vorschreiben. Doch bevor wir uns solch einem Thema widmen, sollten wir doch darüber sprechen, was wir ändern wollen. Das ist nicht geschehen. Das oft zugesicherte Recht auf Mit- und Selbstbestimmung muss insbesondere in solchen Angelegenheiten beachtet werden. Allein eine Abstimmung oder ein Gespräch hätten zu einem anderen Szenario geführt.
Die tägliche Arbeit in der Politik ist ein täglicher Lernprozess und das auf beiden Seiten. Wir mussten dabei lernen, dass wir noch mehr auf die richtige Kommunikation und Formulierung zu achten haben. Grund der Missverständnisse war ja das in manchen Briefen fehlende Wort „derzeit“, das klarer den Willen bekundet hätte, dass wir das Thema nicht in der Zeit des Wahlkampfes behandeln wollen.
Die andere Seite mussten wir jedoch auffordern, dass sie unser Volk zu akzeptieren hat und dass dies eine besondere Sensibilität im Umgang mit dem politischen Mandat erfordert. Das Recht auf Mit- und Selbstbestimmung gilt es in solchen Angelegenheiten besonders zu achten.
Ich bitte all jene, die uns und mich für das Vorgehen kritisiert haben, dass sie so fair sind und uns nicht nur nach Fehlern beurteilen, sondern die Situation im Ganzen sehen. Nachdem die Missverständnisse zutage traten, haben wir sofort das Gespräch mit Politikern gesucht und vereinbart. Heute kann ich mit Sicherheit sagen, dass der Kontakt zu allen Parteien in Brandenburg und Sachsen nach der Wahl gut und fruchtbar ist.
Eine Stütze ist mir dabei der Bundesvorstand, der mir mit Rat und ehrlicher Wertung zur Seite steht. Dafür danke ich herzlich.
Das Thema, die Notwendigkeit einer Novelle des Sächsischen Sorbengesetzes zu prüfen, haben wir in den Entwurf der Arbeitsrichtlinien aufgenommen. Wir wollen die Diskussion nicht ersticken, sondern qualifizieren.

– Bewahrung des sorbischen Siedlungsgebietes –
Die Energiepolitik unseres Landes ändert sich derzeit und in der Lausitz spüren wir dies Tag für Tag. Diejenigen, die bisher gegen den Braunkohlekonzern demonstrierten, demonstrieren nun, damit der Braunkohlekonzern bleibt. Ungeachtet aller möglichen Szenarien bin ich mir sicher: Das Problem der Braunkohle bleibt – egal, ob der Konzern ein schwedischer oder tschechischer ist. Die Entscheidung der Landespolitik, dass Braunkohle gewonnen wird, ändert sich offenbar nicht. Das einzige, was sich weiterhin ändert, ist die zunehmende Unsicherheit, die die Betroffenen mehr und mehr belastet. Die Domowina hat sich hinsichtlich der Braunkohle klar geäußert, zuletzt am 14.09.2013 im Zusammenhang mit der Fortschreibung des Braunkohleplanes für die Erschließung der Gruben Welzow-Süd und Nochten. Wir lehnen die weitere Devastierung sorbischer Dörfer ab und fordern mittelfristig den Ausstieg aus der Braunkohle-Energiepolitik. Wir haben jedoch aus der Geschichte von Hornow gelernt und wissen, dass das Wichtigste die Meinung der Betroffenen ist. Wenn sie es wünschen, unterstützen wir sie in ihrem Dialog mit allen Seiten. Wichtig ist, dass wir das Sorbische unter allen Umständen schützen und bewahren. Wenn es uns nicht gelingt, die Heimat der Betroffenen zu bewahren, dann möchten wir ihnen zumindest in der Sprache und Identität eine Heimat geben und die Bewahrung dieser dann weiter unterstützen, wenn die Entscheidung klar ist.

– Mitgliedschaft –
Unsere nationale Organisation Domowina besteht aus 18 Regionalverbänden und Mitgliedsvereinen, die sich in Domowina-Ortgruppen und weitere Vereine gliedern. Insgesamt sind, einschließlich der assoziierten Mitglieder, 182 Gemeinschaften in der Domowina organisiert. Die Domowina ist nicht nur der Dachverband der Sorben und sorbischer Vereine, sondern sie ist die Summe des Wirkens aller ihrer Mitglieder. Ihr, liebe Mitglieder der Domowina-Ortsgruppen, der Regionalverbände und Vereine, seid die Stütze unserer nationalen Arbeit. Dafür danke ich euch im Namen des Bundesvorstandes sehr herzlich.
In den vergangenen zwei Jahren traten den Regionalverbänden Niederlausitz und „Michał Hórnik“ weitere Gruppen bei, auch Jugendclubs.
Wir haben eine breite Mitgliedschaft, haben uns über vier gesellschaftliche Systeme erhalten und sind nun in Freiheit und Demokratie aktiv.
Unter uns pflegen wir das Prinzip der Pluralität und des Dialogs, das es uns ermöglicht, auf alle Themen einzugehen. Wir haben in der Vergangenheit politisch gewirkt und wollen dies auch künftig tun und so unserer Aufgabe entsprechen, die Interessen der Sorben zu vertreten. Genau dieser Gedanke findet sich auch im Entwurf des Programms Domowina 2015 unter dem Stichwort Verbundenheit wieder:
„Durch die Aktivitäten der Domowina werden die verschiedensten Partner in und außerhalb der Lausitz vereint. Dabei setzen wir uns für die gezielte Einbeziehung sorbischer Inhalte in das öffentliche Leben ein.“
Doch wir haben auch Schwierigkeiten. Das Durchschnittsalter unserer Mitglieder steigt. Doch wir haben uns auch damit zu befassen, dass die ehrenamtliche Tätigkeit zunehmend an Attraktivität verliert und es nicht gelingt, Nachwuchs zu gewinnen. Die Lebensbedingungen und die Sprachräume ändern sich. Selbst wenn wir beobachten, dass gewisse Entwicklungen stagnieren, so stellen wir doch fest, dass an anderer Stelle neue Strukturen entstehen. Beiden Entwicklungen müssen wir entsprechen.

Diskussionen darüber, ob es berechtigt ist, dass die Domowina die Interessen der Sorben vertritt, finde ich nicht gut. Wir sollten uns nicht von Zweifeln blenden lassen. Wichtiger als die Frage, was die sie vertritt, ist der Fakt, dass wir unsere Rechte zu vertreten haben. Wie wir das machen, in welcher Form wir es bewerkstelligen, das liegt nicht daran, dass es die Domowina gibt, sondern am Willen der Mehrheit der Sorben. Der Dachverband ist derzeit die größte sorbische politische Struktur mit so breiter Basis, wie sie derzeit sonst niemand hat.

Es ist leicht, passiv zu sein, auf das Tun des anderen zu schimpfen und so eine pessimistische Zukunftsaussicht zu verbreiten. Von diesen Personen brauchen wir nicht zu erwarten, dass sie künftig einen positiven Ausgang für die Sorben bewirken. Wichtiger ist es, dass wir uns engagieren. Dabei ist es egal, ob es innerhalb der Domowina geschieht oder außerhalb.

Erfolg oder Misserfolg politischer Initiativen werden danach bestimmt, ob die Initiatoren andere Menschen überzeugen und Mehrheiten bilden können. Alles Weitere regelt sich durch unsere demokratischen Strukturen selbst. Die einzige Bedingung, die wir bei allen Diskussionen und bei aller Pluralität unter den Sorben erfüllen müssen, ist, dass wir zum Schluss gegenüber der deutschen und internationalen Öffentlichkeit die Interessen unseres Volkes mit einer Stimme vertreten. Wiederholt verweise ich darauf: Partikularinteressen behindern unsere politischen Handlungsmöglichkeiten. Wir müssen als ein Volk auftreten.

– das Wirken des Vorsitzenden -

In den vergangenen zwei Jahren hatte ich die Möglichkeit, hauptamtlich als Vorsitzender der Domowina tätig zu sein. Im Vergleich zur vorangegangenen Periode, in der ich ehrenamtlich neben meiner Beschäftigung aktiv war, ist dies jetzt eine Regelung, mit der es um vieles besser möglich ist, den Erwartungen, die an den Vorsitzenden gestellt werden, zu entsprechen. In den letzten zwei Jahren hat nicht nur die Präsenz des Vorsitzenden und die Menge der Termine um 130% zugenommen. Jetzt ist auch Zeit für Vorbereitungen, die der Qualität der Arbeit zuträglich sind. Einen Überblick über die Aktivitäten des Vorsitzenden finden Sie in der Delegiertenmappe.

Auch wenn es nicht leicht ist, Vorsitzender zu sein, so ist es doch Herausforderung und Freude zugleich.

In den vergangenen zwei Jahren war ich in vielen Regionalverbänden und Verweinen unterwegs und lernte überaus aktive Mitglieder in der gesamten zweisprachigen Lausitz kennen. Ich lernte die Vielseitigkeit eurer Arbeit kennen, liebe Domowina-Mitglieder, lernte eure Bemühungen und eure Erfolge und eure Sorgen kennen. Für eure umfassende nationale Arbeit und für die vielen guten Gespräche und Anstöße danke ich euch auch im Namen des Bundesvorstandes herzlich.

Die Zukunft des Sorbischen ist nicht nur abhängig von politischen Aktivitäten, das ist ja nur der Rahmen. Wichtiger ist, dass das Bild in diesem Rahmen erhalten bleibt und nicht verbleicht. Jedes Projekt, jeder Liederabend und jede ehrenamtliche Aktivität ist ein weiterer Mosaikstein, um dieses Ziel zu erreichen. Erst dadurch geben wir der Domowina ein Gesicht.

Beispiele dafür sind:

Der Regionalverband Niederlausitz führte unter anderem den Superkokot durch. Dabei begrüßten sie auch viele Zuschauer aus der Oberlausitz.

Die Regionalverbände Hoyerswerda, Kamenz und Bautzen organisierten erfolgreich gemeinsam dem WITAJ-Sprachzentrum Familientreffen.

Der Regionalverband „Jakub Lorenc-Zalěski“ war Gastgeber des Internationalen Dudelsackfestivals.

Der Verband sorbischer Studenten führte in Prag ein Chorlager durch.

Der Sorbische Künstlerbund organisierte das Fest der sorbischen Poesie.





Die Liste könnte ich weiter fortführen. Doch auch die tägliche gesellschaftliche Arbeit in den Ortsgruppen, Vereinen und Regionalverbänden ist wichtig.

Ich wünsche mir, dass bei allen Herausforderungen diese Gemeinschaft deutlicher gesehen wird. Wenn wir das Wirken der Domowina werten, dann sollten wir nicht nur auf die politische Wirksamkeit des Dachverbandes schauen, sondern insbesondere die ehrenamtliche Arbeit und die vielfältigsten Aktivitäten wertschätzen.

Ungeachtet dessen, dass ich häufig Kritik an unserer Arbeit zu Kenntnis nehme, - fragt man sich doch manchmal, ob der Autor der Kritik willens ist, Fakten und Informationen zur Kenntnis zu nehmen, - so stelle ich doch fest, dass die Anzahl der Berater und Unterstützer überwiegt. Ich weiß, dass unsere gemeinsame Arbeit trotz aller Fehler und Unzulänglichkeiten dem Wohl der Sorben dient. An dieser Stelle danke ich den Mitgliedern des Bundesvorstandes. Es tut gut zu wissen, dass wir eine Gemeinschaft von Sorben haben, in der nicht Konfrontation vorherrscht, sondern bei allen notwendigen Auseinandersetzungen und sachlichen Kontroversen viel mehr der Wille zur gesunden Diskussion besteht. Ebenso danke ich dem Präsidium, das mir ein enger Kreis von Beratern ist. Ich danke aber auch der Verwaltung der Domowina unter der Leitung ihres Geschäftsführers Bernhard Ziesch und dem WITAJ-Sprachzentrum unter der Leitung von Dr. Beate Brězan. Mir ist bewusst, dass es nicht immer einfach mit mir ist, doch ich habe den Eindruck, dass wir inzwischen wissen, wie wir es zu meistern haben, dass wir uns in der Arbeit finden. Der Vorsitzende steht oft im Fokus der Medien, doch hinter seinem Wirken steht meist eine Schar von verlässlichen Partnern.

Doch auch ein solcher Vorsitzender ist ein Mensch und kann nicht alles richtig machen. Mit der Aussage von Prof. Scholze in der Sächsischen Zeitung bezüglich des Schicksals der Sorben wurde ich wiederholt auf meine Aussage verwiesen. Im Jahre 2011 sagte ich im Rahmen eines Interviews mit der Zeitung „Die Zeit“ einen Satz, der mich seither begleitet. Aus dem Gespräch wurde ein Fragment medial so präsentiert, dass der Eindruck entsteht, der Vorsitzende glaube an die Wirksamkeit seines Handelns selbst nicht. Häufig erinnere ich mich daran und dann und wann erinnern mich jene daran, die meinen, dies sei der Beweis meines schlechten Willens oder meiner Unfähigkeit. Die Kritik damals war scharf und ich verstehe, dass sich viele durch die Äußerung verletzt fühlen. Jedoch habe ich kein Verständnis für all jene, die dies nutzten und nutzen, um der Domowina zu schaden oder dies in Strukturdebatten als Argument zu verwenden. Es wundert mich sehr, denn ein nicht kleiner Teil jener ist sogar christlich gebildet.

Selbst möchte ich mich heute von jener Aussage distanzieren und ich entschuldige mich bei allen, die ich damit verletzt habe. Auch wenn mir Fehler unterlaufen sind, gebe ich nicht die Hoffnung auf, dass das gemeinsame Tun im Sinne der Sorben wichtiger ist, als der Beweis, dass auch ich nur ein Mensch bin.

Zugleich appelliere ich jedoch auch, wir sollten nicht schizophren mit unserer Situation umgehen. Zum einen verweisen wir darauf, dass unsere Sprache eine der am meisten bedrohten in Europa ist und zum anderen fallen wir gleich in einen ekstatischen Reflex der Verachtung, wenn jemandem so etwas als direkte Aussage unterläuft. Ich bin dafür, dass wir künftig von solchen Aussagen nicht nur distanzieren, sondern uns damit befassen, warum uns das so verletzt. Wenn wir uns eine Zukunft des Sorbischen ermöglichen wollen, was ich für möglich halte, dann müssen wir uns unsere Zukunft gemeinsam schaffen. Der genannte Artikel und die Reaktionen darauf sind für uns Grund, uns künftig noch intensiver mit der sorbischen Sprache zu befassen. Das ist ein Ziel im nächsten Zeitraum unseres Wirkens.

– Visionen –

Die sorbische Zukunft braucht Formen. Eine dieser Formen ist die Art und Weise der Kommunikation. Der Dialog ist die Zukunft unserer Existenz. Wir müssen uns als Domowina um den Dialog kümmern und ihn fördern.

Der Dialog ist ein Kennzeichen der Basiskultur, wie sie in der Funktion des Dachverbandes begründet ist. Die Domowina ist für den Dialog offen. Das zeigt sich vor allem im Beschluss des Bundesvorstandes:

„Die Domowina ist jederzeit mit allen Menschen und Gruppen, die sich zum Wohle der Sorben engagieren wollen, bereit zu sprechen.“
(Beschluss Nr. 70 – Satz 3 – 14.06.2014)

Aber auch unter dem Stichwort Offenheit, das in den Programmentwurf Domowina 2015 aufgenommen wurde, findet sich dieser Gedanke:

„Die Domowina bietet allen Sorben und Freunden der Sorben eine Gemeinschaft, unabhängig davon, ob sie in oder außerhalb der Lausitz leben und sie als Einzelpersonen oder innerhalb eines Domowina-Mitgliedsvereins oder Regionalverbands in ihr wirken möchten.“

Der Zeitraum unseres Wirkens von 2015 – 2017 möge im Zeichen des breiten Dialoges stehen. Wir haben in allen Regionen der Lausitz, aber auch außerhalb, den Dialog mit den dort Aktiven zu pflegen. Dabei sollten wir den Fokus darauf richten, wie wir gemeinsam unsere Zukunft zum Wohle des Sorbischen, der sorbischen Sprache und Kultur gestalten. Das ist keine strukturelle Frage, sondern eine inhaltliche. Diskussionen allein der Struktur wegen sind veraltet und führen nicht zur Antwort, was wir inhaltlich ändern wollen. Die Domowina sollte nicht die einzige Basis des Dialogs dabei sein. Wir haben inzwischen unter den Sorben neue Aktivitätsformen. Für die Domowina wird sich damit, davon bin ich überzeugt, von selbst die Frage beantworten, ob sie die berechtigte Interessenvertretung ist oder nicht. Darüber richten nicht Deklarationen, sondern das praktische Leben!

Domowina ist kein Organ oder ein anonymes Konstrukt mit Sitz in Bautzen. Die Domowina ist die Summe aller Mitglieder. Sie ist ein geeignetes Dialogforum zwischen allen ihren Mitgliedern und Interessenten. Dafür setze ich mich ein und wünsche mir eure Unterstützung.



Sehr geehrte Delegierte,

Che Guevara – Arzt, Autor und Revolutionsführer in Kuba sagte zur Frage der Veränderung folgendes:

„Die Revolution ist wie ein Fahrrad. Bewegt es sich nicht davon und bleibt stehen, so fällt es um.“

Genauso haben wir es mit dem Erhalt des Sorbischen zu sehen.

Wir dürfen nicht stehen bleiben. Unsere Traditionen, unsere Kultur und insbesondere unsere Sprache bleiben nur lebendig, wenn wir sie weiter pflegen und entwickeln. Wir sollten sie nicht wie Konserven bei optimaler Temperatur im Lager aufbewahren, damit sie irgendwie erhalten bleiben. Ohne jegliche Nutzung und Fortentwicklung verfällt die Zeit des Nutzens. Selbstverständlich auf ganz stille Weise, das ist der Unterschied zwischen uns und Che Guevara.

Wir müssen den Dialog pflegen und alle für die gemeinsame Arbeit für das Sorbische werben. Wir sollten nicht zweifeln, sondern über unsere Träume und Bedürfnisse sprechen. Das ist jedoch nicht nur eine Losung für jene an leitender Stelle, sondern für jedes Mitglied und jeden Sorben. Dabei sollten wir nicht auf Positionen, Parteien oder das Alter schauen. Wir haben einen konstruktiven und gemeinsamen Dialog zu führen, und wenn wir uns in der Angelegenheit geeinigt haben, sollten wir handeln. Die Domowina hat dabei einen klaren Auftrag, Forum zu sein. So verwirklichen wir weiterhin die Gründungsworte Bogumił Šwjelas:

„Erhalten, Ermuntern und Aufklären sind die wichtigsten Aufgaben des Bundes.“


Der Begriff „Sorben“ bezieht sich gleichberechtigt sowohl auf die Bezeichnung „Sorben/Wenden“ nach Artikel 25 der Verfassung des Landes Brandenburg als auch auf die Bezeichnung „Sorben“ nach Artikel 6 der Verfassung des Freistaates Sachsen.

Die Bezeichnung „sorbisch“ ist gleichberechtigt mit der in Brandenburg gebräuchlichen Bezeichnung “sorbisch/wendisch” zu verstehen.



Inkl. aller gleichgestellten Partnerschaftsformen



Das sächsische Bildungskonzept 2plus unterscheidet zwischen drei Sprachgruppen: 1. – Schüler mit muttersprachlichen Fähigkeiten, 2. – Schüler mit Vorkenntnissen durch das WITAJ-Projekt in Kindergärten, 3. – Schüler ohne sorbischsprachliche Vorkenntnisse